Von Pep-Talks und Lobgesängen
In einem ist Jim absoluter Meister: beim Thema Selbstmotivation macht ihm niemand was vor. Was er außerdem noch richtig gut kann: loben. Oder besser: anerkennen. Auf seine Weise. Und beides ist oft so bezaubernd, dass ich mich nicht entscheiden kann, ob ich herzhaft lachen oder vor Rührung weinen soll.
Hoch hinaus und wieder runter
Auf dem Spielplatz gibt es eine Kletterwand. Mit diesen Griffdingern, die aussehen wie kleine Beulen. Die Wand ist schräg, und wenn man oben angekommen ist, kann man auf der Rückseite eine Strickleiter runterklettern. Jim hat relativ lang einen großen Bogen um diese Wand gemacht. Aber vor ein paar Tagen hat ihn dann doch der Ehrgeiz gepackt. Mit voller Konzentration und starrem Blick auf den Gegner, den es zu bezwingen galt, erklärte er mit starker Stimme: „Mama, ka schoo laine! Mama, nich kein helfen!“ Was soviel heißt wie: Mama, ich kann das schon alleine, nicht helfen! Und so war es dann auch. Zack(!) war er oben und auch schnell auf der Rückseite wieder unten. „Bravooo, hab gewunge!“, was manchmal „ich habe gewonnen“ und ein anderes Mal „ich hab’s gefunden“ bedeutet.
Kleingärtner-Manier
Um die Situationskomik des nächsten Beispiels zu verstehen, muss man wissen, dass wir in einem Kleingarten wohnen. Nicht so richtig Schrebergarten-mäßig, aber irgendwie auch schon. Was dazwischen eben. Auf jeden Fall gibt es hier eine reiche Vielfalt an Gartenzwergen, sonstiger Gartendeko und kreativen „Hier lebt, lacht und liebt Familie XYZ“-Schildern. Ihr habt ein Bild. Unser Garten ist eher… nüchtern. Zumindest im Vergleich zum Rest der Anlage. Bei uns gibt’s eine Wiese. Kein Deko-Flamingo und schon gar kein Blumenbeet. Ich bin froh, wenn der Rasen es bei meinem schwarzen Daumen schafft.
Jeden Tag schmeisst sich Jim in seine feuerroten Lightning McQueen-Crocs (*cringe*), geht vor die Haustür und bewundert das Natur-Nichts. Gerne in der Crocs-Jogginghosen-Kombination. Dann verschränkt er wie ein alter Mann die Hände hinter dem Rücken, steht leicht vorgebeugt, nickt bedächtig und murmelt: „mmm-mmmh, ahaa, ja, ja okay. Grünes Gras. Sehr gut!“. Einer von uns dreien ist schon sehr angekommen im Kleingarten-Life.
Immer Straße bleiben
Jim hat Mario Kart auf der Switch für sich entdeckt. Um genau zu sein: „Majooo Kaar Ääiiiit“, also Mario Kart 8. Wochenlang hat er uns genötigt zu spielen, wobei er immer nur zugeschaut hat. Abends hat er sich selbständig Tutorials auf Youtube reingezogen, wobei ich noch immer nicht weiß, wie er die gefunden hat. Dann hat’s Klick gemacht. Jim hat sich den Controller geschnappt und ist losgedüst. Hochkonzentriert ist er ein Rennen nach dem nächsten als Erster über die Ziellinie gefahren. Wenn die Strecke mal schwierig ist und die Kurven zu scharf, ermahnt er sich selbst mit „immer Straße bleiben!“. Und tuckert wieder auf die Strecke zurück. Die Zieleinfahrt feiert er lautstark mit: Arme hoch, „Juhuuuuu, Erster! Hab gewunge!“
Wir haben ihn gefeiert wie Lewis Hamilton von Toto Wolf für jeden Grand Prix-Sieg gefeiert wird. Nur ohne Champagner-Dusche, dafür aber mit viel Bohei und Krawumm und High Five. Uns ist nicht ganz klar, wie er die Hand-Augen-Koordination durch reines Zuschauen verinnerlicht hat. Aber das ist vielleicht auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass wir uns das für andere Dinge merken. Jim lernt durch intensives Zuschauen. Und dann legt er plötzlich selbst los. Jetzt wäre es schön, es könnte mal ein anderes Spiel laufen. Aber auch das wissen wir ja: Jims Interesse für Mario Kart wird jetzt die nächsten Monate anhalten, kein anderes Spiel wird ihn interessieren. So ist das.
Geht schon los
Überhaupt findet Jim Autos ziemlich cool. Nicht nur beim Nintendo spielen, sondern auch im echten Leben. Jim ist passionierter Beifahrer, der auch sehr genau aufpasst, was der Verkehr so macht. Jim sagt mir an, wann beim Abbiegen frei ist, wann ich aufpassen muss („Aaatung, Bummissai“ – Achtung Polizei!). Ganz besonders gilt es für mich, an der Ampel aufzupassen. Denn wehe ich setze das Auto nicht schon langsam in Bewegung, sobald die Ampel von rot nach gelb umspringt. Dann werde ich vom hinteren Thron aus scharf ermahnt mit: „Mamaaa, geht schon los!“ Den nachfolgenden Verkehr freut’s, mich stresst’s gelegentlich.
Good (Parking) Job
Ein echter Ego-Booster allerdings ist Jims Lob nach dem Einparken. Ich halte mich für eine einigermaßen gute Autofahrerin. Und auch mit dem Rückwärtsparken habe ich nicht allzu große Schwierigkeiten. Tut trotzdem gut, wenn der Spross das auch bemerkt. Ganz egal, ob ich mich millimetergenau in die Mini-Parklücke gezwängt habe oder Platz für fünf Sattelschlepper gewesen wäre – Jim feiert meine Parkmanöver. „Jaaa, Mama, sehr gut. Good job! Bravo. Gepaaaakt!“
Ich sag’s euch, wie’s ist: Jede*r braucht einen Jim in seinem Leben!