Uff, 2020!

Uff, 2020!

29/12/2020 4 Von Marison

Gegen Jahresende werde ich immer fürchterlich emotional. Während andere sich freuen, dass bald ein neues Jahr beginnt, bin ich traurig, dass das alte Jahr zu Ende geht. In diesem – wirklich in jeder Hinsicht – außergewöhnlichen Jahr bin ich allerdings nicht allzu traurig, dass es bald ein Ende hat. 2020 hatte es in sich. Es gab sehr traurige Momente und viel Verlust. Vor allem das erste Halbjahr war schwer. In der zweiten Jahreshälfte waren manche Dinge auf den ersten Blick schwierig und haben sich dann als ganz wunderbar erwiesen. Und auch wenn man sich ein bißchen anstrengen muss beim Nachdenken, sind doch auch ein paar wirklich tolle Sachen passiert.

Bye bye, Job!

Im Sommer habe ich meinen Job verloren. Oder ihn aufgegeben. So richtig weiß ich das nicht. Wahrscheinlich von beidem ein wenig. Kein geregeltes Einkommen und keinen vermeintlich geregelten Alltag mehr zu haben, hat mich erstmal in totale Panik versetzt. Arbeitslos? Ich? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber ich wusste Jim Autoauch, dass ich unmöglich so weitermachen konnte. Eine Führungsposition in Vollzeit während einer Pandemie und der wahrscheinlich größten Krise für die Tourismusbranche konnte ich weder mit mir selber, noch mit Jim und seinen Bedürfnissen oder Ollie vereinbaren. Ich war einfach müde und dauergestresst.

Also habe ich mir nach meinem letzten Arbeitstag ein paar Wochen Auszeit verordnet, die wirklich (über)lebenswichtig waren. Denn etwas ist wieder nach ganz vorne in die Prioritäten-Rangliste gesprungen: Ruhe. Seitdem ich nicht mehr zwischen Telefonkonferenzen, Büro, Therapiezentrum, Ärzten, Emails, Kindergarten und Meetings hin und her renne, bin ich nicht mehr so abgehetzt. Der Dauerstrom ist mal abgestellt. Und das spürt allen voran Jim. Meine Ent-Spannung tut nicht nur mir gut, sondern ist für alle in der Familie ein echter Segen. Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass der Verlust meines Jobs mein Highlight des Jahres sein würde, hätte ich schallend gelacht. Aber tatsächlich war es das beste, was mir passieren konnte.

Ein Lockdown jagt den nächsten

Seit März rutschen wir von einem Lockdown in den nächsten, mal soft, mal hart. Aber Lockdown war irgendwie immer. Anfang des Jahres hatten wir uns noch gefragt, wie wir das ein paar Wochen aushalten sollen. Dann sind auf einmal Monate daraus geworden. Und wir haben es erstaunlich gut ausgehalten. Auch miteinander. Eigentlich war es gemütlich. Sicher auch deswegen, weil wir noch kein Homeschooling machen müssen.

Natürlich wünsche ich mir, dass das Leben ganz bald wieder normal weitergehen kann, wir Freunde und Familie wieder sehen und auch mal essen gehen können. Trotzdem hat es auch mal gutgetan, relativ wenig zu machen, weil man ja tatsächlich auch nichts machen konnte. Mir hat es jedenfalls gezeigt, dass dieses ständige Überangebot an Aktivität und „da muss man hin, da muss man dabei gewesen sein“ unglaublich anstrengend ist. Eine Zeit lang geht es auch gut ohne. Vielleicht kann ich mir diese Haltung beibehalten für die Zukunft. 

Jims Fortschritte

Jims Diagnose war eine Erleichterung für uns. Die Antwort auf viele Fragen. In den Wochen und Monaten seit dem Diagnosegespräch ist so viel passiert, dass ich es manchmal kaum glauben kann. Überhaupt hat Jim in diesem Jahr so viele Fortschritte gemacht. Ich kann 2020 als das Jahr in Erinnerung behalten, in dem Jim das erste Mal Mama und Papa gesagt hat. In dem er angefangen hat, seine Bedürfnisse auch ansatzweise verbal zu äußern. In dem er den Sprung von „weiß“ zu „Taschentuch“ geschafft hat. In dem er langsam sein repetitives Verhalten ablegt und andere Interessen entwickelt.

Jim RuheDie Diagnose hat auch Ruhe gebracht. Vorher habe ich natürlich oft Maßstäbe von neurotypischen Kindern bei ihm angewendet und war genervt, wenn Jim einfach nicht „funktionieren wollte“. Jetzt weiß ich, dass er oft nicht anders kann und ich meinen Zugang zu ihm ändern muss. Das hilft oft. Ich habe gelernt, ihm besser zuzuhören und ihn zu verstehen, auch wenn er wenig sagt. Ich habe gelernt, geduldiger mit ihm zu sein. Und wir haben alle gemeinsam miteinander gelernt, einen Alltag zu haben, der für uns alle gut ist und niemanden überfordert.

Jims Team, das neben uns Eltern aus seinen Pädagoginnen im Kindergarten, der Ergotherapeutin, der Logopädin und der Psychologin besteht, ist für den Moment komplett. Und ist die größte Hilfe und Unterstützung. Alle bemühen sich sehr um Jim und seine Fortschritte und geben uns wertvolle Tipps und Hinweise für den Alltag. Wir haben das Gefühl, dass er in den besten Händen ist. Und wir damit auch.

Die Reise geht weiter

All diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass dieser Blog entstanden ist. Klingt jetzt schwulstig, aber dafür bin ich wirklich dankbar. Ich freue mich wahnsinnig darüber, wieviele Menschen mitlesen, mir schreiben, hier kommentieren und mich ermutigen weiterzumachen. Wohin es führt, weiß ich nicht. Aber solange es Spaß macht, bleibe ich dran. Und freue mich, wenn ihr auch dranbleibt.

Euch allen wünsche ich, dass ihr diesem seltsamen Jahr auch etwas Gutes abgewinnen könnt. Kommt gut rüber und bleibt gesund! Jim’s Journey geht in 2021 weiter.