
Trois Languages und ein Kopf
„Suche nach Worten“ steht im Untertitel dieses Blogs. Nicht mehr ganz aktuell, um ehrlich zu sein. In den letzten Monaten war es hier zuhause überhaupt nicht mehr still. Hier wird gequasselt, was das Zeug hält. Für die einen klingt es nach Kauderwelsch, für uns ist es Musik in unseren Ohren, auch wenn es manchmal schwer nach Free Jazz klingt. Jims Wortschatz ist nahezu explodiert. Wir suchen also gar nicht mehr so sehr nach Sprache, sondern vielmehr nach funktionaler Verwendung. Und tatsächlich suchen wir auch nicht mehr. Wir finden!
Frau B. und mein Französisch-Problem
Sprache lag mir immer. In Naturwissenschaften war es eher ein Versagen mit Pauken, Trompeten und wehenden Fahnen. Mit Buchstaben und Wörtern habe ich mich immer wohl gefühlt. Am liebsten würde ich alle Sprachen dieser Welt sprechen können. Nur eine hat mich schon immer gequält: Französisch. Komm ich einfach nicht dran. Verstehen ja, sprechen nein. Ich habe heute noch meine Französischlehrerin Frau B. im Ohr, die immer mit einem Ton unglaublicher Enttäuschung und heftigem deutschen Akzent zu mir sagte: „Non, Marison, c’est null!“ Gern fügte sie dann noch hinzu: „Deine Leistungen gehen soooooo steil den Berg runter.“ Dazu eine Abwärtsbewegung mit der Hand und ein komisches Pfeifen durch die Zähne, das wie ein abstürzendes Flugzeug klang. Das verfolgt mich bis heute. Manchmal weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll, dass Ollies Muttersprache ausgerechnet Französisch ist. Um Jim nicht total zu verwirren, wird zuhause sehr wenig Französisch gesprochen. Eigentlich nur mit dem Hund. Es klingt irgendwie netter und passt auch besser zu Bob.
Sprachen-Kuddelmuddel
Jim fängt jetzt an, die Sprachen zu mischen, mit denen er zu tun hat. Neben Deutsch also noch Englisch im Kindergarten und ein bißchen Französisch. Abends, wenn ich die gesammelten Lightning McQueen Puzzle wieder sicher in ihren Schachteln verstaue, mimt Jim den Supervisor und mahnt: „Mama tidy up puzzle ganz vorsichtig!“ Sir, yes, Sir! Oft kommt es mir zugute, dass mir Fremdsprachen nicht so große Schwierigkeiten bereiten, denn Jims Aussprache ist manchmal noch sehr verwaschen oder er vermischt die Buchstaben, dass es wie eine eigene Sprache wirkt. Zuletzt war es Cider Bay, das ich entschlüsseln musste. Cider Bay ist Spiderman. Und es ging um den Spiderman-Schlafanzug. Muss man auch erstmal drauf kommen.
Neben den vielen Wörtern, die Jim drauf hat, kombiniert er jetzt auch viel mehr. Er probiert Sätze zu bilden. Oft sind es fertige Sätze, die er gelernt hat, weil er sie ständig hört. Andere Male sieht man ihm richtig an, wie er in seinem Kopf versucht, ganz allein Sätze zu formen. Da kommt dann zum Beispiel raus: „Mama Jim gehen nach Hause gehen.“ Das ist noch nicht ganz richtig, aber gut verständlich. Und das ist, was zählt. Es gibt drei gelernte Sätze, die Jim perfekt beherrscht. So gut, dass auch die Aussprache tiptop ist:
Jim und Mama gehen einkaufen.
Kann ich bitte mehr haben?
Mama, kannst du bitte helfen?
Vom Bootcamp zum Höflichkeits-Champion
Beim letzten Satz hat Jim mich mit seiner Auffassungsgabe wirklich überrascht. Denn: wochenlang hat er in richtigem Befehlston immer „Mama helfen!“ gesagt. Ich bin auch nur ein Mensch, und an manchen Tagen halte ich es nur mäßig gut aus, wenn ich mich wie bei einer Militärtruppenübung fühle. Als Jim mal wieder einen dieser Mama-helfen-Tage hatte, an denen ich wirklich bei ALLEM helfen sollte, ist mir ein schnelles, genervtes „Jim, das heißt: Mama, kannst du bitte helfen?“ rausgerutscht. Und zack, schon hatte er das verinnerlicht. Das Prinzip hat seitdem nicht nochmal funktioniert, aber ich bleibe geduldig.
Bei Jims deutschen und englischen Halbsätzen bin ich firm. Wenn Französisch ins Spiel kommt, muss Ollie den Dolmetscher spielen. Da reicht meine Vorstellungskraft einfach nicht aus. Schanti-Bob zum Beispiel. Damit konnte ich überhaupt nichts anfangen. Eigentlich ist es ganz einfach: „gentil, Bob!“, also „lieb sein, Bob“, wenn der Hund mal wieder seine wilden fünf Minuten hat. Sagt es ruhig ein paar Mal laut und ihr werdet merken: noch deutscher kann man es nicht aussprechen. Dann muss ich immer an Frau B. denken. Ich werde sie wohl nie los.
Was kommt, das kommt
Jims immer größer werdender Wortschatz ist eine riesen Erleichterung für unseren Alltag. Er ist in der Lage, seine Bedürfnisse an uns zu kommunizieren. Es nimmt uns viel Last und Unsicherheit, dass er jetzt doch sehr klar sagen kann, was er möchte und braucht. Und ein Vierjähriger hat erstaunlich viele Wünsche und Forderungen auf Lager, wie wir feststellen. Mit nicht ganz so großen Schritten geht die wechselseitige Kommunikation voran. Zwar kann Jim auf die Fragen „Wie heißt Du?“ und „Wie alt bist Du?“ und kurze Ja-Nein-Fragen relativ zielsicher antworten, aber darüber hinaus geht es noch nicht. Die Frage wie es im Kindergarten war oder was sie dort heute gemacht haben, beantwortet er weiterhin konsequent mit: Ja. Gefolgt von: Jim und Mama gehen einkaufen.
Eins nach dem anderen. Nicht ungeduldig werden, denke ich mir dann. Jim hat schließlich in kürzester Zeit so viel aufgeholt und gelernt, das kann man jetzt auch ruhig erstmal feiern, bevor man schon wieder den nächsten Meilenstein mit Vollkaracho anpeilt. Alles kommt zu seiner Zeit. Und in Jims Tempo. Insgesamt haben wir uns da einfach sehr entspannt. Was kommt, das kommt. Und was nicht kommt, das kommt vielleicht später. Und wenn es auch später nicht kommt, dann ist das einfach so. So wie es ist, ist es gut!
Mega!Chapeau, sag ich da nur! :-))
Merci vielmals! ❤️