
Quer durch die Rabattcode-Hölle
Hmmm pff… so oder so ähnlich lässt sich mein Zustand beschreiben gerade. Wäre meine Laune im Keller (rw), wäre sie zumindest noch da. Ich bin ent-launt zur Zeit. Und kann gar nicht sagen, was der Grund dafür ist. Es gibt ganz viele, und trotzdem keinen konkreten. Ich hänge durch und bin unmotiviert. Zig angefangene Texte tummeln sich hier, aber keiner flutscht oder hat das Zeug dazu, online zu gehen. Ich hatte mir so viel vorgenommen. Nicht nur für den Blog. Und jetzt hänge ich also durch. I lost my mojo.
Trist. Trister. Jahresanfang.
Ich versuche mich zu erinnern, ob es mir eigentlich jedes Jahr im Januar und Februar so geht. Dann fällt mir ein, dass dieses Jahr diese zwei tristen Monate einfach noch trister waren/sind. Irgendwie gemütlich, gleichzeitig auch elend-lang. Jim war mehr zuhause als im Kindergarten seit Anfang des Jahres. Wir waren alle krank. Immer bei schönstem Sonnenschein. Wenn es uns gut ging, war das Wetter mies. Für Jim gibt es nicht nur falsche Kleidung, sondern eben auch schlechtes Wetter. An viel zu vielen Tagen habe ich mir selbst sehr auf die Schulter geklopft für die Investition in das Trampolin zuhause. Und habe dem iPad-, Nintendo- und Netflix-Gott gedankt.
Es kam vieles zu kurz in den letzten Wochen. Nur nicht die Bildschirmzeit. Ich schäme mich nicht dafür. Irgendein Medium lief immer. Während Jim die Grüffelo-App hoch- und runtergespielt oder wieder einen persönlichen Mario-Kart-Rekord aufgestellt hat, habe ich mich durch Instagram, Facebook und Twitter gescrollt. Es war… herrlich schrecklich! Das Suchtpotenzial ist erschreckend. Es ist wie bei einem Unfall: man möchte nicht hinsehen, tut es aber trotzdem. Himmel, nehmt mir mein Telefon weg!!! Ich habe in den letzten Wochen folgendes gelernt:
Reifen sind out. Jetzt wird’s gemütlich.
Hullern ist out, die Reifen verstauben alle irgendwo in der Ecke. Nur ein paar hardcore Influencerinnen, die am Verkauf der Reifen mitverdienen, sind ab und zu noch aktiv und lassen die Hüften kreisen. Ich bin so dankbar, dass der Trend abnimmt. Nicht wegen der Reifen, sondern weil ich das Wort „hullern“ so gruselig finde. Komm, Schatz, lass uns ne Runde hullern *zwinkerzwonker*!
Die nicht endende Rabattcode-Schlacht für Jumpsuits und seltsam gecroppte Tops einer Leggings-Firma von mäßiger Qualität ging in eine neue Runde. Die stellen seit Kurzem auch Damenunterwäsche aus Stoffresten her. „Boah, totaaaal bequem!!! Spürt man gar nicht, ich will nie wieder was anderes tragen!“. Hä? Hatten all die Rabattcode-Verticker*innen mir nicht vor ein paar Monaten noch erzählt, dass sie ausschließlich in Oceans Apart-Klamotte leben? Was denn jetzt? Und, wie kacke muss eigentlich der Absatz sein, wenn auf einen Schlag ausnahmslos A-L-L-E (!!!!!) Influencer*innen die Dinger an die Frau bringen müssen? Erzählt mir was ihr wollt, aber die verbeulte Jogginghose von vor 15 Jahren ist nicht zu toppen. Auch nicht durch pseudo-faire Jumpsuits („kann man auch supertoll kombinieren. Mit allem! Mal schick, mal lässig. Ein echtes Must-Have! Und stellt euch vor, ich hab da heute ein richtig, richtig cooles Angebot für euch. Mit meinem Rabattcode ICHBINUNNÖTIG15 spart ihr 15% auf die Kollektion, die sonst keiner haben will!“).
Duften. Putzen. Kochen.
Wer da noch nicht zugeschlagen hat, wird vielleicht bei den Duftkerzen schwach. Die lassen dich nämlich in weite Ferne reisen, wenn du nur fest genug daran glaubst. Geht ganz einfach: erstmal schnell den Rabattcode AUSRÄUCHERN20 eintippen und in ein paar Tagen hast du deine ganz persönliche Orientreise IN. DEINER. WOHNUNG!! Ja, ist das nicht toll? Schnell die drei Dochte anzünden und in den Urlaub träumen. Tut so gut. Wenn du jetzt noch deine Supplements mit dem Rabattcode ICHWILLGESUNDBLEIBENMITKOMISCHENTROPFENUNDKAPSELN aufgestockt hast, sorgst du auch für wohlige Wärme von innen. Und bestimmt auch für einen strahlenden Teint und weniger Falten. Übrigens: das Zeug gibt es auch für Kinder. Ganz wichtig. Man kann nicht früh genug damit anfangen. Vor dem Schokobrot morgens erstmal die ganze Batterie an Nahrungsergänzung auspacken. Dass da mal ja kein Mangel entsteht.
Deine Kreditkarte gibt noch was her? Dann lass dir ein Raumreinigungssystem mit vier Buchstaben oder ein Küchenwunder aufquatschen. Oder gleich beides. Die sympathische Mutter, der du auf Instagram folgst, kommt sogar für eine Produktpräsentation zu dir nach Hause! Fan-Girl-Alarm!!! Aber bitte frag nur an, wenn du auch wirklich ehrliches Interesse hast. Also: KAUF NACH DER VORFÜHRUNG GEFÄLLIGST AUCH SO EIN DING. Oder gleich beide. Und, hey, haste dir mal überlegt, dass auch DU damit das große Geld machen könntest? Du musst nur zuerst eine Menge Geld investieren und dann deine Follower tyrannisieren. Ein Selbstläufer!
#selbstliebe und #fürmehrrealitätaufinstagram
Wer das Kreditkartenlimit mit all dem Nippes ausgereizt hat, kann noch beim Thema Selbstliebe einsteigen. Kostet nämlich nix. Es reicht, wenn man sich in Unterwäsche dabei filmt, wie man den eigenen Bauch streichelt und die Hände in Herzform um den Bauchnabel legt. Schnell das Video in schwarz-weiß hochladen, mit romantischer Musik untermalen und schon ist man dabei. Feel good vibes für lau. Die Dehnungsstreifen noch in tiger stripes umbenennen und das „kleine große Wunder“ liebevoll auf die Stirn küssen. Aaaaaaw, so sweet.
Für dich war noch nichts passendes dabei? Keine Bange! Was immer geht, ist: #fürmehrrealitätaufinstagram! Da zeigt man einfach die Wäscheberge oder macht schnell geordnetes Chaos im Kinderzimmer #immerdieserabauken #kaumschautmamamalnichthin. Oder fotografiert die Patschehändchen des Kleinkinds nach der Schokokuss-Schlacht. Da kann wirklich jede*r mitmachen.
Ich weiß, ich weiß… es ist ein Job. Damit verdienen Influencer*innen ihr Geld. Es sei ihnen gegönnt. Wirklich. Meinetwegen müssten sie ihre Werbung aber nicht in so halbgaren Alltagsgeschichten unterbringen à la: ey, ich hab da was ganz tolles entdeckt. Denn zwischen „entdecken“ und „Firma XY hat mich angeschrieben und um Kooperation gebeten“ liegen ja doch noch Welten. Und weil Instagram fast nur noch aus Werbung besteht, die nicht nach Werbung aussehen soll, ist es langweilig geworden.
Während ich mich also durch Instagram durchgelangweilt habe, hat Jim YouTube einmal von vorne bis hinten durchgesehen. Die viele Bildschirmzeit war tatsächlich so viel, dass er nun ein Eis bestellen kann. Akzentfrei. Auf Türkisch. Vielleicht ist es ja mal hilfreich, man darf solche Sprach-Skills nicht unterschätzen. So geht’s ihm. Gut. Living his best life. Mit YouTube, Nintendo, Trampolin, Schokolade, Mini-Pizza und viel Quatsch. Morgens weckt er uns mit einem fröhlich-lauten „Merhaba!“ statt good morning. Wer weiß, vielleicht gibt’s bei Jim’s Journey irgendwann mal einen Rabattcode für den nächsten Türkei-Urlaub. Dann brauche ich auch keine Duftkerze mehr. Aber Supplements. Viele Supplements. Für die Pflege sonnenverwöhnter Haut von innen. #steilekarrierevoraus
😅😅😅 entlaunt – ich brech hier grade zusammen!! Das hat wirklich Spaß gemacht… 😂😂😂
Dann hat der Post sein Ziel erreicht!
🤣🤣🤣jawolloooooo!
Toller, sehr humorvoll geschriebener Beitrag und
ein echt toller Blog, auf den ich durch Zufall gestoßen bin. 👍😃
Diese Influencerwerbung geht mir auch gehörig auf den Keks, v.a., wenn sie einen auf „real talk“ machen und dann noch so tun wollen, als wären sie zufällig auf die angeworbenen Produkte gestoßen. Eher fake als real, insbesondere, wenn mir von derselben Person mehrmals wöchentlich immer wieder andere Haut- und Haarpflegeserien angepriesen werden, die sie „selber schon immer begeistert nutzen würde und nichts anderes ins Haus kommt…“ Nee, ist klar.. 😜
🤣🤣🤣
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