Nur Mut!
Als dieser Blog vor einigen Wochen an den Start ging, hatte ich durchaus mit Reaktionen gerechnet. Es war dann aber doch überraschend, dass die meisten Rückmeldungen „du bist so mutig“ waren. Mutig… eigentlich bin ich gar nicht mutig. Ich bin eher die Fraktion Schisser. Ich steige in kein Flugzeug und möchte auch niemals aus einem rausspringen. Um Brücken mache ich – wenn möglich – einen großen Bogen. Ins Meer gehe ich maximal bis zu den Knien. Ich mag keine Menschenansammlungen, und die Vorstellung auf einen Jahrmarkt oder ein Festival zu gehen, macht mich panisch. Beim Schlittschuhlaufen war ich früher die Letzte auf dem zugefrorenen Weiher, weil ich Angst vorm Einbrechen hatte. Ach, mir würden noch zig andere Dinge einfallen, vor denen ich mich gern drücke.
Woher kommt der Mut?
Wer Sei mal laut! gelesen hat, weiß, dass mein Mut für diesen Blog eher aus einer Notwendigkeit entstanden ist. Die Reaktionen haben mich dann zum Nachdenken gebracht. Denn mein Bedürfnis zu erzählen hat sich bislang eher auf den Kreis der Familie, Freunde und Bekannte beschränkt. Vielleicht ist es tatsächlich mutig, ganz öffentlich und für die ganze Welt einsehbar das eigene Familienleben offenzulegen?
Mut ist nicht einfach da. Mut entsteht doch (zumindest für mich), weil man in anderen besondere Eigenschaften sieht, die man sich zu eigen macht und dann bewusster und selbstsicherer entscheidet und handelt. Wie Vorbilder, bei denen das auch schon ganz gut funktioniert hat. Von wem also habe ich mir besondere Eigenschaften und eine gesunde Portion Mut abgezwackt, quasi ausgeliehen?
Von meinem Vater
Mein Vater war für mich immer ein bemerkenswerter Mann. Der Fels in der Brandung. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mein Vater jemals gejammert hat. Selbst als er wirklich jeden Grund dafür hatte, ließ er das für sich selbst nicht zu. Es braucht eine besondere mentale Stärke und eben auch Mut, um in den dunkelsten Stunden immer den Lichtschimmer zu sehen. Wenn ich vor großen Entscheidungen stand oder Zweifel hatte, dann war seine Antwort: „Der Aufstieg ist immer beschwerlich. Aber wenn Du mal am Gipfel bist und Dich umdrehst, dann siehst Du, was Du geschafft hast. Und die Aussicht ist schön. Courage, Marison. Courage!“ Seinen steten Blick nach vorne möchte ich mir behalten. Papa, Du fehlst.
Von meiner Mutter
Ich bewundere meine Mutter für vieles, aber besonders dafür, dass sie die Dinge sofort anpackt, die man am liebsten ganz weit wegschieben möchte. Nicht lang schnacken, loslegen. Sie hat mir beigebracht, dass all diese unangenehmen Sachen einen eh einholen. Also lieber gleich damit fertig werden, dann hat man es hinter sich. Das erfordert manchmal jede Menge Mut. Von ihr habe ich auch gelernt, dass man über alles reden kann. Auch da muss man sich oft ein Herz fassen. Die Dinge beim Namen nennen, nicht drumherum reden. Wer dafür mutig genug ist, wird meist belohnt.
Von meiner Schwester
Von ihr möchte ich mir eine große Portion Zielstrebigkeit abschneiden. Die eigenen Ziele so klar zu verfolgen, braucht Schneid. Und Ausdauer. Und Selbstbewusstsein. In diesen Punkten habe ich schon immer zu ihr aufgeschaut. Ich denke oft an ihre Entschlossenheit, von der ich gern mehr hätte. Wenn ich meine Schwester nicht als Vorbild gehabt hätte, dann hätte ich viele Dinge wohl nicht gemacht. Und wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätte ich mich vielen Situationen wahrscheinlich nicht gestellt, vor denen ich wirklich große Angst hatte. Dafür bin ich ihr ewig dankbar.
Von meinem Freund Ollie
Weil er sein Ding macht. Ganz konsequent. Und dabei ist egal, ob das anderen gefällt oder nicht. Er macht es, weil er es will (und braucht). Das stößt nicht immer auf Gegenliebe, aber eben das bewundere ich: dass es ihn nicht an seiner Entscheidung zweifeln lässt. Ollie sagt, was er denkt. Auch wenn das manchmal unbeliebt und unbequem ist. Vor allem hat er keine Angst vor den Konsequenzen. Er ist für mich der personifizierte dritte Vers eines Fontane-Gedichts:
Das flücht’ge Lob, des Tages Ruhm
Magst Du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
„Dich selber achten können.“
Und obwohl Ollie eher ein privater Mensch ist und um Social Media einen großen Bogen macht, war er derjenige, der mich am meisten ermutigt hat, diesen Blog zu starten. Auch wenn das bedeutet, dass das eigene Leben öffentlich gemacht wird. In diesem Punkt finde ich ihn wirklich tapfer.
Von Jim
Wer Schwierigkeiten hat sich zu artikulieren und trotzdem frech ist, ist mutig! Jim schnappt sich von den großen Teenies den Basketball, rennt mitten in das Zweitklässler-Fußball-Match, klaut dem Hund sein Lieblingsspielzeug und stürzt sich mit seinem Roller die Halfpipe runter. Vor allem aber geht er immer wieder auf andere Kinder zu und versucht in Kontakt zu kommen, auch wenn das für ihn schwierig ist. Er fordert sich selbst heraus und gibt nicht auf. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Also warum nicht einfach mal kopfüber ins Abenteuer stürzen und es darauf ankommen lassen?! Was sind schon ein paar aufgeschürfte Knie, wenn man eine tolle Zeit hatte. Vollgas und nie, nie, nie den Spaß verderben lassen!
Von Bob
Manchmal, wenn mir der Mut wirklich fehlt, gibt es noch unseren Hund Bob. Der lässt sich die Ohren kraulen und schnauft all die Zweifel aus. Dann schaut er mich mit seinen großen, dunklen Augen ganz eindringlich an, als wollte er sagen: „Los, mach schon! Was soll denn schiefgehen? Nur Mut!“
Tja, 36 Jahre kennen wir uns nun schon und ich muss gestehen, dass es für mich immer wieder Momente gab, in denen ich dachte „Verdammt, sie macht ihren Weg, ist 8 Monate jünger als ich und macht Karriere!“…Rückblickend war es für mich schon fast beruhigend, dass auch bei dir mal etwas nicht gerade lief.
In meinen Augen hattest du immer die Kraft, die Stärke und den Mut deinen Weg gegen jeden Widerstand zu gehen!
oh, bei mir lief ganz viel nicht immer gerade. Bei wem tut es das schon?! Wichtig ist doch dann nur, dass man den Kopf nicht in den Sand steckt. Und dass man eben auch gute Vorbilder hat, an denen man sich „festhalten“ kann. Das wissen wir beide, denke ich. ❤️