Kalte Schnauze, warmes Herz
Als ich Ollie kennenlernte, gab es da auch noch Louis, eigentlich Louis XIII. Ein belgischer Griffon, dessen Schicksal es war, andauernd mit einem Mops verwechselt zu werden. Louis war Ollies ständiger Begleiter, sein Sidekick, sein Robin zum Batman. Ein kleiner Hund mit Größenwahn. Eigentlich war Louis der Herr im Haus. Manchmal haben wir gewitzelt, dass Louis eigentlich gar kein Hund sei, er war wirklich besonders.
Als Jim zur Welt kam, war Louis schon krank. Trotzdem war er interessiert an dem Baby, das da plötzlich auch auf der Couch lag. Geduldig ließ er sich von den Speckröllchenhänden an den Ohren ziehen, manchmal kam er sogar zum Kuscheln. Jim hat Louis gern beobachtet. Und laut gelacht, wenn Louis nochmal einen jugendlichen Aufschwung bekam und dem Ball hinterher rannte. Meistens lagen die beiden irgendwo zusammen und hatten es sehr entspannt. Einen Monat vor Jims erstem Geburtstag ist Louis gestorben. Nicht überraschend, aber sowas kommt dann doch immer unerwartet. Wer mal einen Hund verloren hat, weiß: es tut sehr weh. So sehr, dass der erste Impuls ist, sich nie nie nie wieder einen Hund anzuschaffen, weil der Abschied so traurig ist.
Mit Knick in der Rute mitten ins Herz
Nach ein paar Wochen haben wir dann einen Entschluss gefasst: Jim sollte nicht ohne Hund aufwachsen müssen, weil unser Herz schwer war. Und dann war er auch schon gefunden. Ein Border Terrier, der vom Züchter den Namen Hakon erhielt (wtf?!) und keine neuen Besitzer fand, weil er einen Knick in der Rute hat. Schräge Vorstellung, dass es wirklich Leute gibt, die diesen (O-Ton) „behinderten Hund“ ablehnten. Die Welpenfotos machten unsere schweren Herzen leichter, und so holte Ollie den Hund in Deutschland ab, als er elf Wochen alt war. Erste Amtshandlung war, ihm erstmal einen Namen zu verpassen, der nicht nach Hundekampf-Profi oder nordischem Adelsnachwuchs klang. So wurde aus Hakon mit Hilfe von Bauklotzentscheidungshilfe: Bob.
Bobs Flegelphase und Pubertät verliefen zeitgleich mit Jims Terrible-Two- und Threenager-Phase. Es wäre gelogen zu behaupten, dass es auch nur einen einzigen entspannten und ruhigen Moment in diesen zwei Jahren gegeben hätte. Ein Affentheater nach dem nächsten, immer Halligalli. Aber es war auch lustig. Und wir wussten ja vorher, worauf wir uns da eingelassen hatten. Es war laut und wild, gleichzeitig bezaubernd und oft sehr komisch.
Freunde ohne Worte
Bob ist ein mäßig erzogener Hund mit Energieüberschuss. Wenn er sich freut, dann ist kein Halten mehr. Und er freut sich oft. Er ist kein ausgebildeter Assistenzhund, Bob ist einfach Teil der Familie. Am glücklichsten ist er, wenn das ganze „Rudel“ beisammen ist. Bob ist also Lockdown-Fan, besser geht nicht in seiner Welt! Wenn wir alle gemeinsam das Haus verlassen, sorgt Bob nicht nur dafür, dass das auch der ganze Bezirk erfährt, sondern er läuft auch voran, weil ihn seine Begeisterung für den Gemeinschaftsausflug jede Hundeerziehung vergessen lässt. Gehe ich allein mit Jim und Bob raus, dann hat das was von Tauziehen, mit mir als Schiedsrichter in der Mitte. Der eine stürmt vor, der andere will garantiert in die entgegengesetzte Richtung und lässt sich nur widerwillig hinterher ziehen.
Bob ist Jims Kumpel, sein BFF. Ihm ist egal, ob Jim spricht oder nicht. Die beiden verstehen sich ganz ohne Worte. Mit Jim hat Bob mehr Geduld als mit dem Rest von uns. Eigentlich darf Jim alles. Manchmal äußert Bob seinen Unmut, aber er wehrt sich nie. Wenn es ihm zu viel wird, geht er einfach mal in eine ruhige Ecke. Tut Jim sich weh oder ist traurig, dann kommt garantiert die Hundeschnauze zum Trösten. Und wenn Jim lacht, dann ist das Bobs Zeichen zum Spielen. Dann wird getobt, gerannt und gebalgt. Nie zimperlich, aber auch nie grob. Beide wissen genau, wieviel sie dem anderen zumuten können. Jim lässt gern für Bob was vom Tisch fallen beim Mittagessen und teilt friedlich jeden Zwieback mit ihm. Nur wenn Bob über Jims Puzzle läuft, ist hier mal kurz die Luft ziemlich dick.
Wir „sprechen“ mit Bob Französisch. Das liegt daran, dass Französisch Ollies Muttersprache ist und Bob ihn als sein Alphatier ansieht, le grand patron. Die wenigen Kommandos, die wir nutzen, sind kurz, knackig und leicht zu merken. So leicht, dass selbst Jim schon „assis, Bob!“ und „allez, Bob!“ durch die Wohnung rief, lange bevor er Mama und Papa sagte. Im Kommandos geben ist Jim also Profi.
Popcorn zum Kuscheln
Nach einem anstrengenden Kindergartentag findet hier viel „kuschelmuschel Bob“ statt. Versteh ich, denn nichts ist so entspannend wie Hund kraulen nach einem harten Tag. Hundepfoten riechen ja bekanntlich nach Popcorn, bei Bob beschränkt sich das nicht nur auf die Pfoten, der ganze Hund riecht wie eine Tüte heißes (salziges!!!) Popcorn. Und Popcorn macht gute Laune. Das mag Jim noch nicht so bewusst sein, aber er merkt sehr wohl, dass der Hund ihm gut tut.
Niemand hier zuhause bekommt so einen dicken Gute-Nacht-Kuss von Jim wie Bob. Und überhaupt kann Jim nicht schlafen ohne Bob „Dute Naat“ zu wünschen. Wenn dann abends in Jims Zimmer das Licht ausgeht, handeln Ollie und ich mit Bob noch aus, wer sich wo auf der Couch einrichten darf. Wenn das ausdiskutiert ist und alle zufrieden sind, dann rollt Bob sich ein, lässt sich kraulen, schnauft mal ordentlich aus und knackt weg. Der Tag mit einem kleinen Kind macht Spaß, aber auch mächtig müde. I feel you, Bob! Wir sind sehr froh, dass Du bei uns bist.
Fun Fact: ich habe von Ollie mal ein Armband geschenkt bekommen, in dessen Anhänger er die Anfangsbuchstaben von Jim, sich selbst und Bob eingravieren lassen wollte. Und zwar in dieser Reihenfolge. Das Ergebnis wäre „J.O.B.“ gewesen. Fand er dann doch nicht so charmant, und so ist es am Ende „O.J.B.“ geworden.