Endlich Montag
Es ist Montag. Darüber bin ich sehr froh. Mir tut alles weh. Während ich das schreibe, habe ich Kopfhörer auf und höre Musik mit sehr gleichmäßigem, stumpfem Bass, das beruhigt mich. Mein System muss runterfahren. Dabei war es ein wirklich sehr schönes Wochenende. Aber eben auch ein unglaublich anstrengendes und intensives. Hier ist also mein erster #wasihrnichtseht Beitrag.
Ideale Voraussetzungen. Im Prinzip.
Schöner hätte das Wetter nicht sein können. Die Sonne schien, es war warm, richtig sommerlich. Jim war allerbester Laune, total ausgelassene Stimmung. Wir waren auf dem Spielplatz, Jim ist mit dem Fahrrad den Hang runtergedüst. Zuhause haben wir Wasserpistolen, Plantschbecken und Rasensprenger ausgepackt. Der Hund war nicht zu bremsen – wenn Wasser im Spiel ist, vergisst er alles, was er jemals an guter Erziehung gelernt hat. Und Jim? Der ist auch nicht zu bremsen.
Vom Stillsitzer zum Tobe-König
Bis vor zwei Jahren war Jim der Beobachter. Ihn zu Bewegung zu motivieren war praktisch unmöglich. Er wollte zuschauen. Als Aktivität kam Turm bauen oder puzzeln in Frage. Und ansonsten war zuschauen sein Hobby. Er war ein richtig gemütliches Kind. Oder besser: genügsam. Während andere Kinder auf dem Spielplatz die höchsten Höhen erklommen oder sich kopfüber die Rutsche runtergestürzt haben, machte Jim es sich auf dem Rand der Sandkiste bequem und beobachtete, immer ein Stück Apfel in der Hand. Das konnte er stundenlang, bis ich gesagt habe: „komm, wir gehen nach Hause.“ Dann hat er seine Ärmchen nach oben gestreckt und hat sich – sehr gemütlich – von mir nach Hause tragen lassen.
Es kam nicht schleichend, eher von heute auf morgen. Als wäre ein Turbo in Jim angesprungen. Seitdem ist kein Klettergerüst mehr vor ihm sicher. Stillsitzen ist nicht mehr. Überhaupt ist sitzen nicht mehr beliebt bei Jim. Immer in Bewegung. Ich freue mich darüber, dass er Spaß an Bewegung hat. Und dass er so auch lernt, wo seine körperlichen Grenzen sind. Ich halte es gut aus, dass er hüpft, tanzt, tobt. Was für mich schwer auszuhalten ist: wenn es an oder auf mir stattfindet. Andauernder Körperkontakt macht mich verrückt. Ich kann mich dem kaum entziehen. Ehrlich gesagt gibt es nur einen einzigen Ort, an den ich mich zurückziehen und sicher sein kann, dass Jim keinen Körperkontakt sucht: die Dusche, denn Jim hasst Wasser von oben. Aber ich kann ja nicht den halben Tag duschen?!
Geräuschkulisse
Was aber tatsächlich zu meiner enormen Anspannung geführt hat, die sich heute in Muskelkater, Gliederschmerzen und unfassbar schlechter Laune äußert: die andauernde Geräuschkulisse. Ja, Kinder machen Krach. Ja, Hunde auch. Das weiß man schließlich vorher. Ja, stimmt schon alles. Und, verdammt ja: ich habe lange jedem Wort von Jim entgegengefiebert, ich freue mich auch immer noch darüber. Trotzdem: die absolute Dauerbeschallung mit den immergleichen Halbsätzen und Filmzitaten hat mich brutal überreizt. Das Einfordern des Dialogs:
„Mommy, is Bob a dinosaur? Mommy, is Bob a dinosaur? MOMMY!!!! IS BOB A DINOSAUR????“
„Nein, Jim, Bob ist kein Dinosaurier.“
„Mommy, is Bob a Minion? Mommy, is Bob a Minion? MOMMY!!!! IS BOB A MINION????“
„Nein, Jim, Bob ist kein Minion. Bob ist ein Hund.“
Nonstop. Und wieder von vorne. Bis wir wirklich alle Tiere und Dinge durchgespielt haben. Mehrfach. Jim lacht dabei und hat großen Spaß. Ich balle heimlich die Fäuste um Stress abzubauen. So fest, dass ich heute einen blauen Fleck in der Handinnenfläche habe. Ich fühle mich schlecht, weil mein Stresspegel ins Unermessliche steigt, dabei ist es doch nur ein Spiel. Jim strahlt mich an und freut sich, dass ich mit ihm Quatsch rede. Ob Bob ein Knopf ist zum Beispiel. Oder doch eher ein Rucksack. Mir platzt der Schädel.
„Ab jetzt sind wir nie wieder allein!“
Ollie schaut mich an und bemerkt: „Du siehst fertig aus.“ Weiß ich. Wirklich viel tun kann er nicht. Jim ist totales Mama-Kind. Und dann sagt Ollie: „Weißt du noch, als Jim gerade geboren war? Da hast Du mal gesagt: und ab jetzt sind wir nie wieder allein.“ Damals haben wir darüber gelacht. Die Tragweite war uns einfach nicht bewusst. Ich hatte es auch eher darauf bezogen, dass man – solange man eben verantwortlich ist – keine Entscheidungen mehr nur für sich allein trifft. Jetzt ist es so, dass wir tatsächlich nicht mehr allein sind. Außer während Kindergartenzeit. Aber in der Zeit geht man ja Lohnarbeit nach.
Familie oder Freund*innen, die unterstützen können? Das geht aus verschiedenen Gründen nicht. Zum einen, weil sie zum Teil nicht vor Ort sind. Zum anderen aus Sicherheitsgründen. Ein Kind zu betreuen, das wenig bis kein Risikobewusstsein hat, macht man nicht nebenbei. Wem kann ich das zumuten? Wem kann ich zumuten, mit Jim vom Kindergarten zum Spielplatz zu laufen, wenn er sich weigert an der Hand zu gehen und ohne Vorwarnung auf die Straße rennt? Tatsächlich ist der einzige Ort, an dem das funktioniert, Jims Kindergarten. Außerhalb des Kindergartens gibt es nur uns Eltern. Dass man Jim keinen Pflegegrad zugesprochen hat, rückt auch externe Hilfe in weite Ferne. Schönen Dank auch für nichts!
Von Freud‘ und… Neid!
In den letzten paar Tagen haben mir drei Freundinnen – völlig unabhängig voneinander – geschrieben, dass sie die Kinder jetzt für einige Tage zu den Großeltern geben. Bei jeder dieser Nachrichten hätte ich ein Beißholz gebraucht. Ich will sicher niemandem ein schlechtes Gewissen machen. Ich gönne es allen sehr, die Unterstützung in welcher Form auch immer haben. Und gleichzeitig packt mich der blanke Neid. Und wisst ihr was? Das ist auch echt okay. Auch wenn es sich beschissen anfühlt. Ich liebe meinen Sohn. Sehr. Über alles. Ich liebe jedes Wort, das er sagt. Jeden Hüpfer. Um das auch wirklich in jeder Situation zu können, muss ich Batterien aufladen. Und das geht nur, wenn nicht gleichzeitig Energie abgesaugt wird. Ich bin erschöpft. Wenn ich dir das also sage, dann antworte bitte nicht: „ich weiß auch gar nicht, wie du das schaffst! Ich könnte das nicht!“ oder „Ja, aber alle Kinder sind eben anstrengend.“ Sondern probier’s mal mit „das glaube ich dir. Gibt es was, was ich für dich tun kann?“ Ich werde wahrscheinlich mit nein antworten. Aber allein die Tatsache, dass du mich gesehen hast ohne mir sofort deine Story aufzudrücken, hat mir gutgetan.
Hi du Süße ❤️
Fühl dich gedrückt ❤️
Ich bin euer Fan aus der Steiermark ❤️
Max is bald 5 und frühkindlicher Autist ❤️
Liebe deine Beiträge immer und wie du denkst fühlst und schreibst!
Einfach genial 🤩👌🏼❤️
Du mir gehts gleich wie dir wenn ich höre bzw sehe das die Großeltern auf die Kinder aufpassen 😎
Das beste is meine Mama kennt sich top aus mit verschiedenen Beeinträchtigungen der Kinder und trotzdem findet sie nicht die Zeit bzw das Interesse auf Max aufzupassen bzw mich damit zwischendurch zu entlasten…
das macht mich oft sehr traurig und sehr oft wütend 🤷🏽♀️
Ich weiß nicht ob es das bei euch in Wien gibt aber wir haben seit 1 Jahr Familienentlastung und was soll ich sagen das beste was wir ansuchen konnten ❤️
Besser als jede Therapie ❤️
Max mag Angelika ( so heißt die junge Dame ) so sehr und ich hab dann mal einen „freien“ Nachmittag oder Abend und das tut so gut ❤️
Also falls das für euch auch was wäre??
Und momentan probieren wir auch ein „Kindermädchen“ aus (junge Pädagogin frisch die Matura in den Händen) und sie kommt überraschenderweise sehr gut mit ihm zurecht ❤️
Ganz liebe Grüße und halte durch 😜😜
Bist nicht allein ❤️
Euer Fan aus Ilz ❤️
Danke für den Tipp mit der Familienentlastung. Das schaue ich mir gern mal an!
Alles Liebe euch! ❤️