Eine Gute-Nacht-Geschichte

Eine Gute-Nacht-Geschichte

25/01/2021 2 Von Marison

Jim war schon immer ein guter Schläfer. Das hat er wohl von uns. Ich wache sowieso von gar nichts auf. Kein Gewitter, kein Autoalarm, kein Wecker holt mich aus dem Tiefschlaf. Das war schon immer so. Meine Mutter würde jetzt wahrscheinlich die Geschichte erzählen, als ich beinahe meine Mathe-Abiturprüfung verschlafen hätte, wenn sie nicht gewesen wäre. Um es kurz zu machen: ich war zwar pünktlich, habe die Klausur aber mächtig in den Sand gesetzt. Aber um mich geht es hier ja nicht, puh!

Gute NachtAls Baby hat Jim immer und überall geschlafen. Für uns war das wunderbar, denn wir konnten ihn wirklich überall mitnehmen. Je lauter es war, desto besser schlief er. So haben wir viele Abende mit ihm in Restaurants und Kneipen verbracht. Wenn er doch mal unruhig wurde, mussten wir den Kinderwagen nur ein paar Mal über das Wiener Kopfsteinpflaster rattern lassen, schon war er weg. Mit acht Wochen hat er durchgeschlafen. Ich bin oft gefragt worden, wir wir das geschafft haben. Wir haben gar nichts gemacht, um ehrlich zu sein. Wer jetzt also auf clevere Schlaftricks gehofft hatte, wird sie hier nicht finden. Sorry.

Kurz und knackig

Mit fünf Monaten ist Jim in sein eigenes Zimmer „umgezogen“. Solange er wirklich noch ganz klein war, haben wir ihn bei uns auf der Couch einschlafen lassen und ihn dann später ins Bett gelegt. Als er in das Alter kam, in dem Kinder das Zubettgehen bewusst wahrnehmen, ging das auch sehr easy. Abgesehen von ein paar wenigen schwierigen Abenden, haben wir Jim einfach ins Bett gelegt, Gute Nacht gesagt, ihm Nachtlichter und Schlaflieder angemacht und sind aus dem Zimmer gegangen. In der Regel ist er dann schnell eingeschlafen. Das mag für einige kaltherzig klingen. Denen möchte ich sagen: jeder darf das so machen, wie es für die Kinder am besten passt. Für Jim war das unproblematisch. Je länger wir im Zimmer blieben, desto länger brauchte er zum Einschlafen. Also haben wir die Zeit möglichst kurz gehalten.

Party im Elternbett

An seinem dritten Geburtstag änderte sich auf einmal alles. An dem Abend hat Jim mich nicht aus dem Zimmer gehen lassen. Immer wenn ich dachte, er würde tief schlafen, und den Versuch wagte aus dem Zimmer zu gehen, ging bei ihm ein innerer Sensor an und er weinte bitterlich. Die nächsten sechs Wochen waren hart. Jim wachte jede Nacht um 1 Uhr auf und war… HELLWACH! Er kam also zu uns und machte Party in unserem Bett. Neben ihm schlafen war ein Ding der Unmöglichkeit. Das ging bis morgens um fünf oder sechs, dann schlief er ein. In manchen Nächten habe ich ihm – Asche auf mein Haupt – das Handy in die Hand gedrückt, auf dem er die dämlichsten Youtube-Videos schaute. Einfach nur, damit ich mal ein paar Stunden wenigstens im Halbschlaf verbringen konnte. So plötzlich wie diese Phase anfing, war sie auch wieder vorbei. Nach sechs Wochen schlief Jim wieder wunderbar die Nacht durch. Nur die Sache mit dem allein Einschlafen klappte nicht mehr. Ich bleibe also bei ihm, bis er tief schläft. Das nennt man wohl „in den Schlaf begleiten“, obwohl ich diesen Ausdruck immer seltsam fand.

Atzebett!

In den letzten Monaten hat sich bei uns ein Abendritual entwickelt, das eisern durchgezogen Gute Nacht Milchwird. So ist nämlich garantiert, dass Jim entspannt ins Bett geht und wir abends keine Dramen mehr erleben. Wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass Jim bereit für das Bett ist, wenn er „Jim nicht müde“ sagt. Das ist DAS Zeichen und kommt meist gegen 20 Uhr. Dann wird der Schlafanzug angezogen. In anderen Familien wird wahrscheinlich noch ein Buch gelesen. Ich konnte Jim abends nie für Bücher begeistern. Also gibt es eine warme Milch und zwei Folgen – na was schon – Bobo Siebenschläfer. Das Tolle an Bobo ist nämlich, dass er am Ende jeder Folge immer gemütlich einschläft. Die erste Folge variiert, da hat Jim sich noch nicht festgelegt, das entscheidet er spontan. Die zweite Folge allerdings ist immer: Bobo kann nicht einschlafen. Ist die zweite Folge fertig, geht es noch schnell ins Bad: Zähne putzen, Gesicht waschen und dann: „atzebett“ (ab ins Bett).

Jim, schlaf jetzt ein…

Seit Jahren hört Jim dieselbe Einschlafmusik und auch der Sternenhimmel darf nicht fehlen. Sobald Jim im Bett liegt, geht es los: wir spielen die „Bobo kann nicht einschlafe“-Folge nach. Und zwar 1:1. Dann wirft Jim sich im Bett hin und her und spielt – wie Bobo – mit seinem Kuschelaffen. Ein grässlich hässliches Stofftier, das ich kurz nach Jims Geburt in irgendeinem Deko-Krimskrams-Laden gekauft hatte, weil man so kurz nach der Geburt ja irgendwie alles süß und bezaubernd findet. Heute kann ich mir beim besten Willen nicht erklären, was ich an diesem Ding fand. Aber jetzt leistet er gute Dienste, also will ich mich nicht beschweren. Wenn Jim seinen Affen aus dem Bett wirft, kommt mein Einsatz. Dann muss ich Jim fragen, was er da macht, den Affen wieder an seinen Platz setzen und ihm das Schlaflied vorsingen, nur dass ich Bobo mit Jim ersetzen muss: Jim schlaf jetzt ein, denn Du musst ja müde sein, nur für Dich leuchten die Sterne, denn sie haben Dich so gerne. Und weil Jim das Lied so gern mag, singt er es sich danach selbst auch nochmal vor. Danach wieder mein Einsatz: „Jetzt gibt Jim Mama noch einen Gute-Nacht-Kuss und macht die Augen zu.“ Dann dreht Jim sich um, lässt sich noch anständig kuscheln und schläft ein. Danke, Bobo! Manchmal rutscht Jim noch ein „Speed, ich bin Speed!“ raus, bevor er endgültig einschläft.

Wer Textsicher gelesen hat, weiß, dass Jim mit Echolalie kommuniziert. Das ist super, denn so lernt er sprechen. Aber wir müssen ihn natürlich auch darin unterstützen, nicht nur in Filmzitaten zu sprechen, denn das ist nicht wirklich alltagstauglich. Also wird jetzt jeden Abend ein keines bißchen vom Bobo-Skript abgewichen. So versuchen wir ganz langsam das Sprachverständnis auf- und auszubauen. Bis jetzt lässt Jim das zu.

Jetzt müssen wir nur noch die knarrende Tür in den Griff bekommen, denn die ist – je nach Wetterlage – so laut, dass es durchaus mehrere Anläufe braucht, bis ich es aus dem Zimmer geschafft habe. Seit Jahren nehmen wir uns das vor. Vielleicht hat es diesen Blog Post jetzt gebraucht, damit ich mich einfach mal darum kümmere. Gleich morgen… ganz sicher.