Ein guter Blick nach unten

Ein guter Blick nach unten

18/06/2021 2 Von Marison

Vergangener Sonntag. Ein sonniger, nicht so heißer Tag. Jim ist früh wach. Beste Voraussetzungen, um nach langer Zeit mal wieder von der Zoo-Jahreskarte Gebrauch zu machen. Die hatten wir von lieben Freunden geschenkt bekommen. Eigentlich finde ich das Konzept Zoo kritisch, aber der Zoo in Wien ist wirklich schön und die Freizeitaktivitäten mit Jim sind eh schon eingeschränkt. Also haben wir den Rucksack gepackt und los geht‘s.

Majestätische Giraffen und ein Geländer

Den ganzen Weg bis zum Zoo erzähle ich Jim, was wir gleich alles sehen werden, um ihn vorzubereiten. Leuchtende Kinderaugen, große Freude. Er hopst fröhlich neben mir her, nicht ohne mir immer wieder zu erzählen, dass er seinen Eselrucksack auf dem Rücken trägt. „Jims Eselrucksack, ja, Mama!“. Die Schlange ist kurz, kein Warten, bestens! Es ist noch nicht viel los im Zoo. Erstmal die Giraffen bewundern. Das heißt, ich bewundere die Giraffen, die so majestätisch durch ihr Gehege schreiten und dabei immer ein bißchen zickig aussehen. „Hallo Giraffe“ ruft Jim, um sich dann höchst fasziniert dem grünen Geländer zu widmen, das mehr Anziehungskraft auf ihn hat, als diese mampfenden Tiere. Aber ein „baba, Giraffe“ gibt es dann doch noch.

Schlafende Koalas und ein Baum

Kurz anstellen am Koalahaus. Drei Koalas, die so süß sind, dass man es kaum aushält, schlummern friedlich im Baum. Ganz nah an der Scheibe, man kann sie toll sehen. „Hallo Koala“ und „schschsch, ganz leise sein“ flüstert Jim mir zu, gefolgt von einem mächtig lauten „oh, Mama, ein Baum!!!“. Jim ist schwer fasziniert vom Baum, auf dem die Koalas sitzen, die ihn nicht die Bohne interessieren. Blätter zählen ist einfach spannender. „Baba, Koala, bii schääpa!“. Und weiter.

Gemütliche Nilpferde und eine Taube

Nächste Station: die Nilpferde. Ich liebe Nilpferde. Sie haben etwas Gemütliches an sich. „Hallo Niiifäärt!“. Das Geländer ist schon nicht mehr so interessant, das kennt Jim ja von den Giraffen schon. Für eine Sekunde kann sich Jim für die Nilpferde begeistern, da landet eine Taube neben uns. Tauben jagen ist seit Jahren das Schönste für Jim. Gut, so ist zumindest das tägliche Bewegungsthema schonmal erledigt. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Jim scheucht die Taube auf, ich nicke den Nilpferden zu. Habt’s gemütlich heute und sucht euch ein schönes, schattiges Plätzchen. „Baba, Niiifäärt!“.

Stolze Löwen und ein Fotomotiv

„Jim, sag mal: hallo Löwe!“. Jim schaut sich um, sagt bestimmt „nein!“ und rennt schnurstracks auf eine Löwenstatue zu, bei der schon einige Kinder anstehen, um mal darauf zu sitzen und für ein Foto zu posieren. „Wow, Mama, Löööööööwe!“, Jim ist völlig fasziniert, fast ehrfürchtig. Draufsitzen möchte er trotzdem nicht, obwohl er ganz geduldig in der Reihe gewartet hat, bis er dran ist. Ich rolle mit den Augen, muss dabei aber auch ein wenig in mich reinlachen. Immerhin haben wir einen Löwen gesehen, wenn auch keinen echten. „Baba, Löwe!“.

Einbeinsteher und flinke Ameisen

Bei den Flamingos – oder wie Jim sie nennt: Faahinkoos – setzen wir uns auf einen Mauervorspung. Apfel essen als kleine Stärkung. Ich erzähle Jim, dass Flamingos auch rote Äpfel essen, deshalb sind sie pink. Ist natürlich Quatsch, aber Spaß muss sein. Hätte ich mir allerdings auch sparen können, denn Jim hat null Interesse an den staksigen Einbeinstehern, nichtmal hallo hat er gesagt. Stattdessen verfolgt er sehr konzentriert den Laufweg einer Ameise, die um die Dose mit den geschnittenen Äpfeln tigert. „Ui, Ameisen!“ staunt Jim, mit besonderer Betonung auf dem „ei“. Er hat sie fest im Blick und kann sich nur schwer lösen. „Baba, Ameisen“. Baba, Flamingos, denke ich.

Töröö für den Eselrucksack

Als nächstes auf dem Programm: die grauen Riesen. Tatsächlich kann sich Jim für die Elefanten begeistern und trötet ihnen lautstark ein „törööö“ entgegen. Auch wenn man sie kaum sehen kann, denn sie stehen in einem Seitengehege, während das Hauptgehege gesäubert wird. Ganz sicher bin ich mir nicht, ob Jim den Elefanten zutrötet oder dem Tierpfleger, der eine überdimensional große Schubkarre vor sich herschiebt. Ist auch nicht so wichtig. Jim reißt sich seinen Rucksack vom Rücken und hält ihn Richtung Gehege. „Hallo, Elefant! Jims Eselrucksack, ja!“ Und wie es der Zufall will, reckt einer der Elefanten darauf seinen Rüssel in die Höhe. Der Eselrucksack ist also elefanten-approved. Jim ist zufrieden, wir können weitergehen.

Affenshow und Schildkrötenruhe

Die Weißhandgibbons geben eine Show. Sie hangeln sich von Ast zu Ast und von Seil zu Seil. Sie jagen sich und fliegen wie Artisten durch die Luft. Oooooh und aaaaah hört man hier. Alle staunen. Nur einer schaut nicht in die Luft. Mit starrem Blick nach unten in den Wassergraben läuft Jim das Geländer ab, bleibt abrupt stehen, reißt mir so heftig am Arm, dass ich auch in die Knie gehen muss, zeigt aufs Wasser und stellt fest. „schau, Mama, ein Schillköööte. Oh, ein Schillkööte.“ Die Affen toben weiterhin, das Publikum ist gebannt. Und Jim? Der setzt sich ganz nah ans Geländer und schaut der Schildkröte zu, wie sich ganz gemächlich im Wasser treibt und sich nicht im Ansatz von den wilden Affen beeindrucken lässt. Immer schön ruhig bleiben, sachte, sachte. „Baba Schillkööte, bii schääpa!“

Ein teurer Ausgang

Mittlerweile ist es bummvoll im Zoo. Jim nimmt meine Hand, stöhnt auf und vermeldet: „Auto gehen, Hause!“. Ja, hast recht, Jim. Die eine Stunde war aufregend genug. Außerdem wird es jetzt nicht nur voll, sondern auch laut. Wir gehen also gegen den Massenandrang in Richtung Ausgang. Da kommt man an dem Zooshop vorbei, den Jim auch direkt ansteuert. Am Ende legt er die gefühlt fünfzehn Stofftiere wieder zurück, die er sich bei seinem Streifzug durch das Geschäft auf den Arm geladen hat. Eins darf er mitnehmen. Er entscheidet sich für die Schildkröte. Sie lebt jetzt auf seinem Nachttisch und wird ignoriert.

Jim GazelleEin guter Blick nach unten

Es war ein kurzer, aber schöner Ausflug, der mir mal wieder gezeigt hat, dass Jim die Welt eben mit anderen Augen wahrnimmt. Für ihn war es ein Abenteuer. Für mich ein Reminder, dass neben all dem Besonderen und Exotischen auch die alltäglichen Dinge beachtenswert sind. Manchmal eine Taube, manchmal ein Geländer. Es geht nicht immer hoch hinaus. Wer nach unten schaut, kann auch Tolles entdecken.