Bussi baba
Manchmal kann ich kaum fassen, was in den letzten 3 Jahren alles passiert ist. Mit Jims Diagnose ging dieser Blog an den Start. Er war mir in all der Zeit ein guter Freund, ein sicherer Ort und eine Möglichkeit, in Ruhe unsere Geschichte zu erzählen. Dass er auch so viele Menschen erreichte, denen es ähnlich ging wie mir, war das Sahnehäuptchen.
Als ich anfing zu schreiben, hatten wir gerade Jims Autismus-Diagnose erhalten. Das Gefühl damals war eine Mischung aus „endlich haben wir eine Antwort!“ und „was kommt jetzt auf uns zu?“. Vor allem war es auch ein einsamer Moment, weil ich niemanden kannte, der in unserer Situation war. Was ich hatte, war Google. Und das war angsteinflößend! Ich las überall, was mein Sohn alles niemals lernen würde. Damit konnte ich mich nicht anfreunden. Weil ich es einfach nicht auf unser Leben übertragen konnte.
Teufelszeug Mindset
Ich weiß, für viele ist „Mindset“ ein Teufelsbegriff. Wirklich verstehen kann ich das nicht. Denn – ja, klar – ein positives Mindset allein macht nicht glücklich, das Leben leichter oder löst alle Probleme dieser Welt. Aber es kann durchaus dabei helfen, nicht immer alles allzu ernst zu nehmen und auch der eigenen Situation eine Leichtigkeit zu verpassen. Mir jedenfalls hat es sehr geholfen. Vor allem dabei, Jims (letztendlich Doppel-)Diagnose nicht als Problem oder Last zu empfinden. Sondern in ihm einen wunderbaren Jungen zu sehen, der selbstbestimmt in seinem Tempo und auf seine Weise das Leben und die Welt erobert.
Die letzten drei Jahre haben mir auch gezeigt, dass wir überhaupt nicht einsam sind. Dass es viele Menschen gibt, die unser Leben auch leben. Und für die es auch ihr „Normal“ geworden ist. Dabei sind wertvolle Freundschaften entstanden, für die ich dankbar bin. Social Media kann das möglich machen. Aber es ist eben nicht nur ein Segen. So wie ich tolle Menschen kennengelernt habe, musste ich auch feststellen, dass in dieser Bubble neben viel Zuspruch auch viel Missgunst und Unverständnis herrscht. Das zeigt: nur weil man eine ähnliche Lebensrealität hat, bedeutet das noch lange nicht, dass man sich grün ist. Zuweilen kann diese Bubble toxisch sein. Und um ganz ehrlich zu sein: ich bin nicht allzu traurig, sie jetzt zu verlassen.
Mein Wunsch
Ich wünsche mir einen unverkrampfteren Umgang mit dem Thema. Dass nicht nur die Diagnosen gesehen werden, sondern vor allem die Kinder. Dass Eltern gleich zu Beginn bessere emotionale Unterstützung erhalten. Und jetzt lehne ich mich zum Schluß nochmal richtig aus dem Fenster: dass Eltern neurodivergenter Kinder sich aus ihrer Opferrolle befreien und sehen können, dass die Welt ihnen nicht per se etwas Böses will. Denn oft macht der Ton eben doch die Musik. Um hier den Kreis zum Mindest zu schießen: manchmal – ich sage MANCHMAL! – muss man das Gute auch passieren lassen.
Ich hoffe, dass dieser Blog für seine Leser*innen eine Hilfestellung, ein schöner Zeitvertreib, eine freundschaftliche Umarmung war und ist. Dass er Mut macht, dem Leben entgegenzugehen, das da draußen wartet. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber dann, wenn man es am dringendsten braucht. Vieles, das heute bei euch noch nicht möglich ist, wird vielleicht in ein paar Monaten gar nicht mehr der Rede wert sein. Das jedenfalls ist meine Erfahrung der letzten Jahre. Denn in dieser Zeit habe ich miterleben können, wie aus einem stillen, nichtsprechenden Beobachter ein wilder, dauerquasselnder Ausprobierer geworden ist. Laut all dem, was ich vor drei Jahren gegoogelt hatte, ist das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. #shatterthenevers
Macht’s gut!
Alles hat mal ein Ende. Und so auch dieser Blog. Nach drei Jahren und insgesamt 95 Beiträgen ist es soweit: Jim’s Journey verabschiedet sich. Jim geht natürlich weiter seinen Weg, aber es hat sich auserzählt. Tatsächlich ist unser Leben so wunderbar „normal“ für uns geworden, dass ich nicht mehr unterscheiden kann, ob etwas bei allen so ist oder bei uns sehr speziell. Und ich möchte mir auch darüber keine Gedanken machen. Ich bin dankbar für alle, die hier mitgelesen und -gefiebert haben. Die Kritik und Lob geäußert, mich ermutigt und bestärkt haben. Und die auch mal meinen etwas harschen Ton ausgehalten haben. Ich trage mein Herz eben nicht nur auf der Zunge, sondern offenbar auch in den Fingern. Ich werde weiter schreiben, aber an anderer Stelle und nicht mehr über Jim. Dieser Blog wird noch einen Moment online bleiben, weil er für viele, die jetzt noch am Anfang stehen, sicher eine gute Ressource ist. Er wird nur nicht mehr aktualisiert. Wer weiß, vielleicht lesen wir uns woanders wieder. Bis dahin, ihr Lieben: es war eine tolle Zeit mit euch. Bussi baba!
Liebe Marison, danke,dass auch ich mit auf die Reise gehen und lernen durfte!
Bis ganz bald und viele Bussi,aber kein baba 🙂
Bussi, Ina, und bis ganz bald bitte!!
❤️❤️❤️
Liebe Marison,
hier kommen ganz herzliche Grüße aus deiner alten Stadt Berlin, von einer alten Bekannten mit besonderem Auge.
Ich habe noch nicht alles gelesen und werde mir morgen Ruhe und Zeit für deine Zeilen nehmen.
Ich habe ein paar harte Jahre hinter mir, kann den Kampf und die Suche nach richtigen Diagnosen und die Enttäuschung über verwehrte Hilfen enorm gut verstehen.
Ich sende dir eine herzliche Umarmung!
So schön, von Dir zu lesen!! ❤️