Autismus ist kein Impfschaden

Autismus ist kein Impfschaden

18/01/2021 3 Von Marison

Ich muss mir Luft machen! Es gibt wenige Themen, die mich so sehr auf die Palme bringen wie die Mär vom Impfschaden in Verbindung mit Autismus, die sich hartnäckig hält. Bei neuen Begegnungen werde ich immer öfter gefragt: „ist Jim geimpft?“ Mich regt diese Frage aus zwei Gründen wahnsinnig auf: Erstens weil sie zeigt, dass die Menschen gern an irgendeiner Behauptung festhalten, wenn etwas für sie anders nicht (be)greifbar ist. Und zweitens weil es anscheinend immer darum gehen muss, die Schuldfrage zu klären.

Immer wieder

Wir sind Familie Durchgeimpft. Alle, inklusive Hund. Ich würde für mich und unseren Sohn immer wieder so entscheiden. Mir ist bewusst, dass Impfungen ein heißdiskutiertes Thema sind, und ich will hier auch nur ein ganz kurzes Plädoyer pro Impfen halten: Wie gesegnet und privilegiert sind wir eigentlich, dass wir Mittel haben, die uns und andere vor schrecklichen Krankheiten schützen? Und wie egoistisch sind diejenigen, die sich nicht impfen lassen, gegenüber den Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht können? In einer Gesellschaft sind wir doch darauf angewiesen, dass wir uns gegenseitig schützen und Verantwortung übernehmen für die Menschen, denen das nicht möglich ist. Ich leugne Impfschäden nicht, natürlich gibt es sie. Deshalb wird man ja in der Regel vor jeder Impfung auch aufgeklärt. Aber Autismus gehört nicht dazu.

Gefährlicher Unsinn

Die Behauptung, dass Autismus u.a. durch die MMR-Impfung ausgelöst wird, ist schlichtweg Unsinn. Und zwar ziemlich gefährlicher Unsinn. Dem Arzt, der diese Behauptung aufgestellt hatte, wurde die Approbation entzogen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen wollen, aus Angst vor Autismus als Folge. Die Behauptung des Impfschadens in Verbindung mit Autismus hält sich u.a. auch deshalb so hartnäckig, weil bei vielen Kindern die ersten Anzeichen sichtbar werden, wenn sie eben im Impfalter sind. Einen kausalen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus-Anzeichen gibt es trotzdem nicht. Vielmehr ist es der Fall, dass Kinder in diesem Alter eben erhebliche Entwicklungsschritte machen. Bei autistischen Kindern (in diesem Fall Frühkindlichen Autisten) fallen diese Entwicklungsschritte oft aus oder sind stark verzögert. Das wären sie aber auch ohne Impfung. Es ist also eher ein zeitlicher Zufall. Hierzu kann ich auch den Artikel von Regine Winkelmann „Ich bin kein Impfschaden“ sehr empfehlen.

Ich kann nachvollziehen, dass man bei den ersten Anzeichen erstmal nach Gründen sucht. Natürlich greift man nach jedem Strohhalm. Ging mir auch so. Trotzdem kann man auch die Vernunft mal walten lassen. Man muss nicht immer die erstbeste Erklärung annehmen, weil sie einem gerade gut in den Kram passt oder weil andere Erklärungen für einen selbst nicht verständlich sind. Autismusspektrumstörungen sind zum allergrößten Teil genetisch bedingt. Man kommt damit zur Welt. 

Die Sache mit der Schuld

Warum muss die Schuldfrage eigentlich geklärt werden? Und impliziert Schuld nicht auch immer, dass es sich um etwas Schreckliches, Schmerzhaftes, Traumatisches handelt? Das würde bedeuten, dass ich traurig sein müsste, dass mein Sohn autistisch ist. Und dass ich wütend sein müsste. Bin ich aber gar nicht. Es ist wie es ist, Punkt. Ich nehme es an, ohne mir andauernd den Kopf darüber zu zerbrechen, was der Auslöser dafür gewesen sein oder wem ich die Schuld zuschieben könnte. Was würde es denn auch helfen, wenn ich es wüsste? Ich wäre wahrscheinlich erst recht wütend und nicht so gelassen wie jetzt. An dieser Stelle finde ich es wichtig zu erwähnen, dass ich durchaus verstehen kann, dass Eltern genetische Testungen machen lassen. Es gibt Menschen, die eben Antworten brauchen. Ich persönlich brauche sie in diesem Fall nicht.

Ätschbätsch!

Am meisten ärgert mich an der Frage allerdings die eigentliche Botschaft, die sie sendet: wenn Du Deinen Sohn nicht geimpft hättest, dann wäre er nicht autistisch. Das ist nicht nur vermessen und unverschämt, sondern vor allem auch böse. Es ist das erwachsene „Ätschbätsch, selber schuld!“. Das Fingerzeigen der ewig Besserwissenden. Und es kommt vor allem von jenen, die sich selbst schönreden, dass sie ihre Kinder „aus Gründen“ nicht haben impfen lassen, obwohl es keine medizinischen Einwände gegeben hätte. Denn niemals bin ich das von Eltern gefragt worden, die geimpfte Kinder haben.

Ich kann akzeptieren, dass es zum Thema Impfen andere Meinungen als meine gibt, auch wenn ich es nicht verstehen kann. Was ich nicht akzeptieren kann ist, dass Hinz und Kunz völlig ungefragt Ursachenforschung betreiben wollen. Wer sich mit Autismusspektrumstörungen nicht auskennt, darf natürlich Fragen stellen, auch die Frage nach einer möglichen Ursache. Aber bitte ohne aufgeschnappte Quatsch-Thesen. Die kennen wir tatsächlich schon alle, wir recherchieren nämlich auch. #rantover